23. Eggisrieder Seminar für Musik und Transzendenz
Ulrike Meyer am 8. September 2024
Das diesjährige Jubiläumsprogramm der Erich Schickling Stiftung erreichte mit dem traditionsreichen „Eggisrieder Seminar für Musik und Transzendenz“ seinen Abschluss. Bereits zum 23. Mal trafen sich Musikstudierende, professionelle Musikerinnen und Musiker zum gemeinsamen Nachdenken über Themen der Musikgeschichte, der geistesgeschichtlichen und kunstübergreifenden Hintergründe des Erklingenden und zu thematisch gesetzten Aufführungen. Dieses Jahr widmete sich das Seminar dem Thema „Jüdische Wurzeln der Musik“.
Nicht nur anhand der oratorischen Werke der Geschwister Felix und Fanny Mendelssohn sondern auch in der eindrücklichen Familienbiografie wurde die ganze Tragweite und tragische Spannung jüdischen Lebens im 19. Jahrhundert deutlich. Die Vorträge widmeten sich zunächst den Wurzeln der Familiengeschichte: dem großen jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn, der als 14-jähriger - allein seinem Streben nach Bildung folgend - nach Berlin kam und den der Dichter G.E. Lessing später zum Vorbild seines „Nathan der Weise“ wählte.
In Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“ stellte Daniel Reinhard, (MA-Studium Chorleitung an der HfMDK Frankfurt) die Entwicklungen der Gattung Oratorium im 19. Jahrhundert sowie die musikdramatisch spannende Umsetzung des alttestamentarischen Stoffes um die Prophetengestalt in den Mittelpunkt. Dem folgte der Vortrag von Pr. Dr. Nanny Drechsler (HfM Karlsruhe) über Fanny Hensel geb. Mendelssohn und ihr zu Unrecht wenig bekanntes „Oratorium nach Bildern der Bibel“. Wie in den Werken ihres Bruders Felix ist auch in ihrer Textauswahl sowie den musikalischen Bezügen zu J.S. Bach eine tiefe Verbundenheit zur jüdischen wie zur christlichen Religion zu erleben.
Im Meisterkonzert des Seminars führte der Karlsruher Pianist und Hochschuldozent Manfred Kratzer zwei hochvirtuose Klaviersonaten jüdischer Komponisten des 20. Jahrhunderts, von Ernest Bloch und Carol Rathaus auf. Kratzers Einführungen zeigten bereits die hintergründigen Beziehungen der avantgardistischen Harmonik mit den Ursprüngen jüdischer Melodik. Dazwischen beeindruckte die Mezzosopranistin Helena Donie mit fein differenzierten Stimmungsbildern in den „Biblischen Liedern“ op. 99 von Antonin Dvorak.
Das Seminar mündete im voll besetzten Saal der Erich Schickling Stiftung in die Klezmer-Matinee der Musiker Josef Bichlmair (Zither) und Günter Schwanghart (Klarinette) in Gegenüberstellung zu dichterisch freien Texten von Christine Silla-Kiefer (Bad Wurzach) über alttestamentarische Frauengestalten. Was die Drei darboten, war eine faszinierende Szenerie zwischen Lebenslust, Tragik, Glückssuche und Gottvertrauen. Der Funke des Wortes und der Klänge sprang über und ließ Hörende wie Musizierende spüren, was es mit der Transzendenz in der Musik auf sich haben könnte. Zumindest für diese Augenblicke.